Viele Städte und Gemeinden haben immer mehr Tempo 30 eingeführt, auch auf Hauptstrassen. «Stopp!», sagen nun National- und Ständerat. Nun ist der Bundesrat aufgefordert, einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten.
Der Ständerat hat eine Motion angenommen, die das ausufernde Tempo-30-Regime einschränken und die Hauptstrassen innerorts wieder der Zirkulation des Verkehrs mit einem Tempolimit von 50 Kilometern pro Stunde zuführen will. Mit 25 zu 15 Stimmen bei 3 Enthaltungen fiel der Entscheid der Kleinen Kammer relativ deutlich aus. Zuvor hatte bereits der Nationalrat dem Begehren zugestimmt. Damit ist nun der Bundesrat am Ball: Er soll einen Vorschlag mit einer entsprechenden Anpassung des Strassenverkehrsgesetzes ausarbeiten. Der Auftrag des Parlaments ist klar: Auf wichtigen Verkehrsachsen muss die Tendenz zu immer mehr Tempo 30 gebrochen werden. Das könnte der Anfang vom Ende von flächendeckend Schleichtempo in den Städten bedeuten. Ein Ziel, auf das manche Städte und Gemeinden hingearbeitet haben.
Funktionen des Strassennetzes stärken
Urheber des Vorstosses, der nun auch im Zweitrat Erfolg hatte, ist der Luzerner FDP-Nationalrat Peter Schilliger. Seine Motion aus dem Jahr 2021 trägt den Titel «Hierarchie des Strassennetzes innerorts und ausserorts sichern». Die darin enthaltene Kernforderung lautet: «Der Bundesrat wird beauftragt, die Bestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes so anzupassen, dass die Hierarchie und die verschiedenen Funktionen des Schweizer Strassennetzes innerorts und ausserorts respektiert werden.» Ausdrücklich eingeschlossen sind dabei die angemessenen Geschwindigkeitsbeschränkungen. Dieses hierarchisch geordnete System habe sich «bestens etabliert» und gewährleiste einen effizienten und flüssigen Verkehrsfluss, heisst es in der Begründung des Vorstosses.
Stopp dem Wildwuchs von Tempo 30
Schilliger kritisiert den in jüngerer Zeit entstandenen Wildwuchs: «Gegenwärtig verbreitet sich die Geschwindigkeitsbegrenzung innerorts auf 30 km/h in vielen Städten und Gemeinden auf chaotische Weise, auch auf verkehrsorientierten Strassen.» Dies führe zu einer Schwächung der Funktionalität des Strassennetzes und dazu, dass die Verkehrsteilnehmer die geltenden Regelungen (generell Tempo 50, Abschnitt Tempo 30, Tempo-30-Zone oder Begegnungszone) weniger gut erkennen würden, was auch bezüglich dem strengen schweizerischen Sanktionssystems problematisch sei. Sprich: Man läuft – oder eben: fährt – zu leicht in Bussen hinein.
Mit der nun vom Parlament angestrebten Neuregelung sollen die verschiedenen Aufgaben der Strassen wieder klarer werden: «Innerorts besteht bei verkehrsorientierten Strassen die Funktion darin, den Verkehr zu leiten, zu verbinden und zu sammeln. Hier ist die Geschwindigkeit, bis auf einige Ausnahmen, einheitlich auf 50 km/h zu begrenzen. Dagegen dienen Siedlungsstrassen dazu, den Verkehr in den Wohnvierteln zu sammeln und zu bedienen. Auf solchen Strassen kann die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h gesenkt werden, wenn dies von den betroffenen Anwohnern und Behörden gewünscht wird.» Schliesslich hätten in Wohnvierteln auch Tempo-30-Zonen und Begegnungszonen (20 km/h) ihre Berechtigung. Die Parlamentsmehrheit anerkennt: Eine leistungsfähige Verkehrsführung reduziert den Umwegverkehr in die Quartiere und steigert dadurch dort die Verkehrssicherheit.
Kein Freipass mehr für Städte
Mit der Verabschiedung der Motion Schilliger, die der Bundesrat zur Ablehnung empfohlen hatte, muss der Bundesrat nun über die Bücher. Er hatte in seiner Antwort auf die Motion betont, am der Ausweitung von Tempo 30 festhalten zu wollen. Die Regierung hatte am 10. November 2021 einen Vorschlag in die Vernehmlassung gegeben, «um die Anordnung von Tempo-30-Zonen auf siedlungsorientierten Strassen innerorts zu erleichtern». Dafür sollte künftig auf ein Gutachten verzichtet werden können. Zudem sollten Tempo-30-Zonen «auch aus weiteren in den örtlichen Verhältnissen liegenden Gründen eingerichtet werden können» – und nicht nur zur Verminderung besonderer Gefahren im Strassenverkehr, zur Reduktion einer übermässigen Umweltbelastung oder zur Verbesserung des Verkehrsflusses.
Mit diesem Freipass für Tempo 30 innerorts, praktisch überall, könnte es nun vorbei sein. Zwar wehren sich der links-grün dominierte Städteverband und auch der Gemeindeverband, doch der Willen der Parlamentsmehrheit lautet: Auf Hauptstrassen soll der Verkehr nicht noch weiter künstlich ausgebremst werden.
Dr. Philipp Gut