Das sind die interessanten Cleantech- und Nachhaltigkeits-Startups

    Kohlenstoff direkt aus der Atmosphäre filtern oder Pilze auf Kaffeesatz züchten: Keine Idee ist für innovative Start-ups zu verrückt, um nicht umgesetzt zu werden. Wir porträtieren die spannendsten Jungunternehmen der Schweiz, Teil 1.

    (Bild: PEXELS) Innovative StartUps mit Fokus auf die Umwelt schiessen seit Jahren wie Pilze aus dem Boden…

    Mit der beschlossenen Umsetzung der Energiewende und der erhöhten Sensibilisierung für Umweltschutz sowie der Transformation der Arbeitswelt (Digitalisierung und Technik) werden Jobs wie beispielsweise «Supervisor Künstliche Intelligenz», Fortpflanzungsberaterin, Biofilm-Installateur, Klimatologe, Umweltingenieurin, Entwässerungstechnologe, Abfalldesignerin oder Recyclistin – um nur einige zu nennen – für Jugendliche, die in diese Richtung etwas erlernen wollen, sehr spannend. Es sind Berufe der Zukunft.
    Fachleute bestätigen zudem: Der Bereich Cleantech soll jährlich um 6,3 Prozent wachsen – das ist eine doppelt so starke Steigerung wie jene der Gesamtwirtschaft! Bis 2025 schätzen die Fachleute einen Zuwachs von nahezu mehr als 60’000 neuen Umweltjobs in der Schweiz.
    Allein für den Wachstumsmarkt «Erneuerbare Energie» hatte das Beratungsunternehmen McKinsey schon 2020 nahezu 16’000 neue Arbeitsplätze veranschlagt. Der Maschinenbau soll dabei mit insgesamt einer Viertelmillion Arbeitsplätzen in einem Wachstumsmarkt grossartige Perspektiven bieten. Dies, obwohl das klassische Marktumfeld eigentlich in einer Krise steckt, aber dank der neuen Technologien dennoch eine Marktattraktivität bietet.

    Diese Perspektiven wirken natürlich wie ein Katalysator für die Startup-Szene. An Ideenreichtum und Umsetzungskompetenz mangelt es nicht. Wir haben einige der spannendsten Startups aus Cleantech, Energie und Umwelt zusammengetragen. Hier einige unserer Favoriten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

    (Bild: zVg) Moritz Kellers Idee macht Sinn und könnte Schule machen – auch und wegen der verschiedenen Nachhaltigkeits-Aspekten.

    Rezyklierung von Nährstoffen aus menschlichem Urin
    Moritz Keller (29) und sein Team beschäftigen sich mit der Rezyklierung von Nährstoffen aus menschlichem Urin, um Nachhaltigkeit für die Nahrungsmittelproduktion zu erlangen.
    Urin – das Wort hat vielleicht nicht die gleiche Konnotation wie «Rosenduft», aber der menschliche Urin wird mittlerweile intensiv genutzt für Therapien und in der Heilkunde, als Reinigungsmittel eingesetzt, aber auch als Dünger in der Nahrungsmittelproduktion. Bevor aber jemand ein «Iiihh» ausstösst, sollte man lesen, was Moritz Keller von «youtrition» dazu zu sagen hat. Er und sein Team haben für die spannende Geschäftsidee zum Thema Düngen mit Urin und deren Umsetzung bereits schon beim Projektwettbewerb Innovation Basel, bei dem die Basler Zünfte und Ehrengesellschaften zukunftsweisende Geschäftsideen von lokalen Jungunternehmern fördern, den dritten Platz belegt. Moritz Keller arbeitet mit dem Aquaponic-­System, bei welchem Fische gefüttert werden, damit deren Ausscheidungen als Pflanzendünger genutzt werden können. «Also habe ich über mehr als ein Jahr mit Aquariumfischen und Kräutern versucht, funktionierende Systeme zu bauen und eines Tages mich gefragt, warum nicht den eigenen Urin als Nährstoff verwenden.»

    Kohlenstoff aus der Atmosphäre einfangen und filtern
    Seit Jahren wird geforscht, ob man Temperaturanstiege aufhalten könnte, indem Kohlendioxid direkt aus der Luft abgebaut würde. Das Schweizer Unternehmen Climeworks baut Anlagen, die den Kohlenstoff aus der Atmosphäre einfangen und filtern. Es ist das erste Unternehmen überhaupt, das Technologie zur Beseitigung von Kohlenstoff kommerzialisiert.
    Auch MyClimate entwickelte eine Möglichkeit, die CO2-Emissionen auszugleichen, die durch alltägliche Aktivitäten wie Fliegen, Fahren, Leben und Arbeiten entstehen. Durch die in Zürich ansässige Nonprofit-Organisation kann man die Kohlenstoffemissionen berechnen, die durch die persönlichen Aktivitäten verursacht wurden, und diese mit Spenden für Nachhaltigkeitsprojekte ausgleichen.

    Too Good To Waste?
    Food Waste ist verpönt. In Dänemark ins Leben gerufen und nun auch in der Schweiz aktiv, kann man die Too-Good-To-Go-App überfälliges Essen zu einem stark reduzierten Preis kaufen, bevor es nach Geschäftsschluss in den Abfall kommt.

    Electric Feeling
    Das im Jahr 2012 in Zürich gegründete Unternehmen Electric Feel liefert die Technologien für Transport-Sharing-Apps in Europa und der restlichen Welt. Dies beinhaltet Apps, Datenanalysen und sogar Automatisierungs- und Vorhersage-Technologien für die Unternehmen, die gemeinsam genutzte E-Bikes, Scooter und Autos anbieten.

    Das Unternehmen, das die ETH Zürich zu seinen Partnern zählt, ist in New York, Washington DC, Rom, Mailand, Madrid und vielen weiteren Städten aktiv. Bislang hat es Menschen dabei unterstützt, mehr als 45 Millionen Kilometer mit umweltfreundlichen Transportarten zu reisen.

    Hilfe für Lebensmittelproduzenten
    Eaternity ist ein Unternehmen aus Zürich, dessen Mission es ist, die Zukunft für nachhaltiges Essen zu beschleunigen. Wie das gehen soll? Mit «Eaternity Score». Das System hilft Lebensmittelproduzenten dabei, die ökologischen Auswirkungen und die CO2-Emissionen für jedes Produkt zu berechnen sowie ihre Lebensmittel klar damit zu kennzeichnen. Sie berechnen das Ergebnis basierend auf einem 3-Sterne-Bewertungssystem, welches die Auswirkungen auf das Klima, das Wasser, den Regenwald und das Tierwohl miteinbezieht.

    Multifunktionelle Taschen aus Äpfeln
    Happy Genie wurde 2017 von Tanja Schenker gegründet. Sie besass ursprünglich ein Unternehmen für Luxus-Handtaschen, konnte sich aber nicht mehr mit der Tierquälerei abfinden, die sie in der Branche erlebte. Seitdem produziert und entwirft sie mit Happy Genie multifunktionelle Taschen aus Äpfeln. Happy Genie hat sich auch zu fairen Arbeitsbedingungen über die gesamte Lieferkette hinweg bekannt und gibt einen Teil der Einnahmen an Impact-Organisationen ab.

    Kein Bioabfall im regulären Abfallhaufen
    WormUp ist ein Unternehmen aus Zürich mit der Mission, dass kein Bioabfall auf einem regulären Abfallhaufen landet. Bioabfall erzeugt Methangas, wenn er nicht richtig verarbeitet wird – eines der schlimmsten Treibhausgase, das zur globalen Erwärmung beiträgt.
    Um dieses Problem zu bewältigen, werden praktische Wurmkomposter-Systeme für Wohnungen und Gemeinden entworfen, die dabei helfen, Bioabfall zu einem nährstoffreichen, organischen und geruchlosen Biodünger zu recyclen.

    VegiPass
    VegiPass wurde Ende 2018 in Tentlingen (Kanton Freiburg) von einem Team aus veganen und vegetarischen Foodies gegründet. Ihre Mission ist es, eine bessere Welt für Menschen und Tiere zu erschaffen, indem sie die Liebhaber von vegetarischem und veganem Essen unterstützen. Mit dem VegiPass kann man über 170 Angebote in Städten in der ganzen Schweiz nutzen, indem man Rabatte von bis zu 50 Prozent bei teilnehmenden Restaurants, Geschäften, Food-Trucks und anderen Verkaufsorten erhält.

    (Bild: Stadtpilze) David Juckers Lebenstraum: Mit dem Projekt und der Idee «Stadtpilze» Erfolg haben.

    Voll im Trend: Urban Agriculture
    David Jucker (30), wohnhaft in Basel, absolvierte den Bachelor in Molecular Life Science an der FHNW in Muttenz, arbeitete 80 Prozent in der Pathologie des Uni-Spitals in der Diagnostik. Und dann faszinierte ihn das Thema Urban Agriculture, als er aus Kaffeesatz Pilze herzustellen begann. Urban Agriculture ist die Erzeugung von Lebensmitteln, Kräutern, Blumen, Nutz- und Medizinalpflanzen durch die in der Stadt und der Agglomeration lebenden Menschen in einem ganzheitlichen Sinne. Viele, die sich diesem Thema hingeben, sehen sich der lokalen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit verpflichtet – zum Erhalt von Natur, Biodiversität und Menschen. Der Verein Urban Agriculture Basel versteht sich als Netz von Personen und Organisationen, die im Rahmen seines Zweckes aktiv (oder passiv fördernd) tätig sein wollen. Auch David Jucker, als einer der Gründer von «Stadtpilze» (www.stadtpilze.ch) war von Urban Agriculture fasziniert.

    Stadtpilze produziert zwischen 10 und 15 Kilogramm pro Woche, in der Regel Austernseitlinge, indische Seitlinge, Rosenseitlinge und Igelstachelbart. Dafür brauche man zirka 2000 Liter Kaffeesatz pro Monat, die man von verschiedenen Stellen wie den Unternehmen Mitte, Spettacolo oder Gaia erhält. «Wir holen das Material selbst mittels Cargo Bike», so Jucker. „Die Preise, verglichen mit Pilzen aus Import oder Grosshandel, sind um etwa ein Drittel höher.» Die Kunden aber schätzen das lokale Angebot. Kaufen und essen kann man die städtischen Pilze in verschiedenen Restaurants und Bäckereien.

    JoW/diverse Quellen/yova.ch

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